Digitale Transformation und die Erkenntnisse aus der COVID-Krise als Chance zur Bekämpfung des Mangels an Frauen in Führungspositionen?

 

Im Rahmen unserer Interview-Reihe zu Frauen in Führungspositionen haben wir uns mit Klaudine Gericke, Geschäftsführerin der Fr. Jacob Söhne GmbH & Co. KG., unterhalten. JACOB ist ein in dritter Generation erfolgreich geführtes Unternehmen für Rohrsysteme nach dem Baukastenprinzip. Das 1924 gegründete Unternehmen steht – nicht nur durch seine internationale Präsenz – für Diversität, und fördert aktiv weibliche Führungskräfte.

 

Frau Gericke, wie ist der Anteil an Frauen in Führungspositionen bei JACOB und welche Maßnahmen treffen Sie, um auch weibliche Führungskräfte zu gewinnen?

Wir versuchen, Diversität in unserem Unternehmen zu etablieren, und zwar sowohl in den Führungs- als auch in anderen Positionen. Bei den Führungspositionen würde ich sagen, haben wir gerade in den letzten drei bis fünf Jahren stark aufgerüstet, was den weiblichen Anteil betrifft. Erreicht haben wir dies hauptsächlich über Trainee-Programme für Nachwuchsführungskräfte. Wir haben Trainee-Programme für verschiedene Bereiche aufgebaut: International Sales und Marketing und Projektmanagement. Zufälligerweise wurden diese alle mit Frauen besetzt, da diese die besten Bewerberinnen waren. Das Trainee-Programm dauert zweieinhalb Jahre, gefolgt von einer zweijährigen Tätigkeit in der jeweiligen Abteilung. Mittlerweile haben die beiden Trainees eine Führungsfunktion inne. Wir starten jetzt zudem ein Mentorenprogramm, um unsere Nachwuchsführungskräfte langfristig zu fördern und an uns zu binden.

Wie groß ist der Anteil an Frauen in den Führungspositionen?

In der Riege unter der Geschäftsführung sind 14 Führungskräfte, vier davon sind weiblich.

Haben Sie sich in dieser Richtung eine Quote gesetzt oder ergab sich dies einfach?

Nein, für eine Quote sind wir nicht Konzern genug. Aber was uns ganz wichtig ist, dass wir einen guten Mix haben. Sowohl an Männern und Frauen als auch an Altersstrukturen. Deshalb haben wir bewusst versucht, in diesen Trainee-Programmen weiblichen Nachwuchs zu gewinnen und darauf geachtet, dass wir Personen mit Potenzial einstellen, die dann auch Führungspositionen übernehmen können.

Hatten die Corona Maßnahmen denn einen Einfluss auf Ihre Digitalisierungsaktivitäten und welchen Einfluss hatte es auf die Entwicklung der jungen Führungskräfte?

Natürlich gab es einen Schub. Innerhalb von zwei Wochen haben wir über 40 Mitarbeiter/innen Homeoffice-fähig gemacht. Es war eine große Herausforderung für uns, insbesondere natürlich für die IT und auch die Leute, die immer hier vor Ort gearbeitet haben. Mittlerweile läuft alles über Video Calls und Telefonate. Es hat bei einigen viel Überzeugungsarbeit gekostet, dies auch aktiv zu nutzen, aber die Mühe war es Wert und wir werden das auch unabhängig von Corona natürlich weitertreiben.

Nichtsdestotrotz waren vor allem auch unsere weiblichen Mitarbeiterinnensehr stark dadurch belastet, dass auch die Schulen von einem auf den anderen Tag geschlossen haben und plötzlich Homeschooling anstand. Wir haben aber stets auch diese Personen eingebunden und uns zeitlich flexibel nach Ihnen gerichtet.

Sehen Sie genau darin vielleicht auch das Problem? Sie haben es gerade kurz angesprochen: Care-Aufgaben innerhalb der Familie bleiben in der Regel immer noch an den Frauen hängen, auch bei weiblichen Führungskräften. Wie könnte man das Thema angehen? Kann hier der Arbeitgeber unterstützen?

Ja, wir haben diese Erfahrungen hier zu Genüge gemacht. Mein persönliches Beispiel ist ein anderes: Mein Mann war derjenige in Elternzeit. In unserem Unternehmen kann ich mich nur   an wenige Männer erinnern, die ins Homeoffice wechselten, um sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern. Sonst sind dies immer die Frauen. Hier könnten die Unternehmen mit einem entsprechenden Betreuungskonzept unterstützen.

Ich glaube wir als Geschäftsführung machen das gut vor. Wir haben immer versucht, den Leuten die Flexibilität im Unternehmen zu geben, indem wir andere Lösungen finden, z.B. durch Arbeitszeitmodelle oder Homeoffice-Möglichkeiten bzw. indem wir bestimmte Personen mit kleinen Kindern, bei denen es unmöglich wurde zu arbeiten, für einen gewissen Zeitraum freigestellt haben. Hier muss man offen und flexibel sein und man muss das auch irgendwie leben. Ich glaube, es hat viel mit Flexibilität und Rücksichtnahme zu tun. Es muss sich in Unternehmen etwas wandeln, gerade bei den Arbeitszeitmodellen. Es kann nicht mehr nur das klassische „9 to 5“-Modell geben, da dieses in vielen Fällen nicht mehr funktionieren wird. Ich habe viele Modelle gesehen, z.B. auch Jobsharing, die sehr gut funktioniert haben. Das müssen Unternehmen aber wollen und auch fördern wollen. Ich glaube, dafür stehen wir.

Aber auch in der Gesellschaft, wenn wir jetzt mal außerhalb der Unternehmen schauen, muss es noch Maßnahmen und Verbesserungen geben, was das Frauenbild an sich betrifft oder auch die Bereitstellung von Betreuungsplätzen, auch außerhalb von Großstädten. Wir haben jetzt schon zwei oder dreimal Konzepte erstellt für einen eigenen Betriebskindergarten, sodass die Leute auch wiederkommen können und die Kinder untergebracht sind. Ich glaube, das sind alles Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

Was erhoffen Sie sich denn durch mehr Diversität auch in der Führungsebene?

Genau das, was die Diversität im Allgemeinen ausmacht. Ich glaube, es ist bereichernd. Wenn ich auf unser Unternehmen schaue, hatten wir bis vor fünf Jahren einen klassischen technischen Führungskreis durch Männer besetzt. Ich war die erste Frau aus dem Personalwesen, die in diesen Führungskreis aufgenommen wurde. Daher kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass es zu Beginn etwas schwierig war.  Diversität führt dazu, dass Sie andere Perspektiven einnehmen und einbinden müssen, die vor allem bei Veränderungen einen sehr großen Nutzen haben. Denn Stillstand ist für kein Unternehmen gut.

Frauen haben grundsätzlich noch einmal andere Sozialkompetenzen, die sie miteinbringen. Das trifft sicherlich nicht auf alle zu und ist auch zu einfach gesagt. Aber man merkt es auch in den Diskussionen im Führungskreis, wenn wir über Ziele, Strategien oder Ähnliches diskutieren, dass man durchaus anders diskutiert. Es geht dann nicht immer nur um Zahlen, Daten und Fakten. Sondern es wird auch mal nach rechts oder links geschaut, d.h. über den Tellerrand hinaus, und es werden viele andere Aspekte eingebracht, die glaube ich vorher nicht in diesem Detail beleuchtet worden sind. Uns als Unternehmensführung ist es wichtig, die Diversität zu fördern. Und das machen wir auch, indem wir z.B. mit einem Coach zusammenarbeiten.(Themen wie: Zusammenarbeit, Umgang mit Konfliktsituationen, Einzelcoachings, etc.) .